11.08.2022 – Wohin jetzt genau?

Wir legen pünktlich ab, denn der Fähre wollen wir nicht in die Quere kommen. Das Tankschiff mitten im Fluss hat schon seinen Betrieb aufgenommen, was wir gern nutzen, um unseren Dieselvorrat aufzufüllen. Denn es sieht nach Motorsegeln gegen den Wind aus.

Wir prüfen den Ölstand, füllen etwas nach, checken den Wasserfilter und das Kühlwasser. Passt alles und weiter geht’s. Erst mal los, wir haben noch kein festes Ziel, außer etwas weiter nach Osten zu kommen.

Wenn wir lang unterwegs sind, haben wir die Strömung im 6 Stunden Rhythmus mal mit uns, dann sind wir schnell und mal gegen uns. Im englischen Kanal sind das zum Teil 2,5 kn an manchen Kaps auch etwas mehr. Dort muss man bei viel Wind aufpassen nicht in sogenannte Races, sich überwerfende Wellen zu kommen. Im Revierführer ist das so eindringlich beschrieben, dass ich diese Stellen am liebsten immer meiden würde, aber da wir so gut wie keinen Wind haben ist das alles halb so wild. An den Stellen ist das Meer zwar unruhig und wir halten Abstand, aber nicht gefährlich. Bei anderen Windverhältnissen, das wird auch jetzt schon klar, ist es kein Spaß.

Portland Bill

Die Strömung ist mächtig, kann gewaltiger sein, als man sich so vorstellt, wenn das Meer so hin und her schwappt. Eine markante Stelle, Portland Bill, runden wir am Abend. In zwei Stunden kippt die Strömung gegen uns und wir überlegen einen Ankerplatz zu suchen. Im Schneckentempo dagegen und noch gegen den Wind kann ganz schön zermürbend sein. Die erreichbaren Buchten sind allerdings nicht so gut geschützt bei den angesagten Ost-Winden und so beschließen wir, nach langem hin und her, trotz allem lieber langsam voran zu kommen als gar nicht.

Vollmondnacht

Die Nacht bekommen wir gut rum, machen auch etwas Strecke bis wir am Morgen die Strömung mit uns, aber den Wind mit 13 kn auf die Nase haben. Wir kreuzen gegen Wind und Welle. Durch die Strömung sind wir zwar schnell, aber es wird ein mächtiges Gebolze. Die Emma schlägt auf die Oberfläche, es rauscht und kracht am Rumpf. Dazu liegen wir sehr schräg und wenn man unter Deck gerade steht, sieht man das Wasser an den ab und zu ganz eingetauchten Rumpffenstern brodeln. Angenehm ist anders, aber es geht, es funktioniert alles, man muss es nur aushalten. Auf dem AIS sehen wir wenig Segelschiffe, aber seit einiger Zeit Daydreamer aus Belgien. Man beobachtet sich ja dann gegenseitig, welchen Kurs der andere nimmt und wie schnell er voran kommt. Noch einer, der nach Hause muss und versucht Strecke zu machen.

Isle of White hinter uns

Wir wenden auf den anderen Rumpf, das ist etwas besser. Gegen Mittag lässt langsam der Wind nach, das Meer glättet sich, die Sonne scheint, es ist warm und als wir ein Bad nehmen kommt Urlaubsstimmung auf. Anscheinend haben wir einen Jahrhundertsommer in England erwischt.

Die nächste Strömung nehmen wir noch mit, in der Ferne sehen wir Delphine und irgendwann fällt die Sonne schon ins Meer und so langsam müssen wir überlegen wo wir die Nacht verbringen wollen.

Wir überqueren den 0-Meridian und sind geografisch wieder im Osten! Muss mich erst dran gewöhnen, ein Jahr habe ich im Logbuch immer ein W für West hinter den Längengrad geschrieben.

Newhaven

Newhaven bietet sich an, die Strömung passt, nur der Hafenmeister ist um 22 Uhr nicht mehr im Dienst. Wir funken die Port Control an, die uns eine Handynummer gibt und sagt, dass wir bei der Auswahl die 9 für dringend wählen sollen. So habe ich dann auch einen, für diese Tageszeit, überaus hilfsbereiten und freundlichen Mann am Telefon, der weiß, dass der Besuchersteg (3 Plätze) komplett belegt ist, uns aber nicht abweisen will. Wir sollen auf der Innenseite an der dort liegenden Yacht anlegen. Ich habe alles verstanden und lege auf. Die Crew steht schon am Steg und hilft uns, hinter ihnen fest zu machen. Das ist nicht so wie besprochen, aber dahinter kommt ein Baggerschiff und wenn wir an ihnen liegen hat es keinen Platz zu rangieren. Mein Handy klingelt. Der Hafenmeister hat auf der Kamera gesehen, dass die übrigbleibende Steglänge für das Baggerschiff so nicht reicht. Ich sage ihm die Einschätzung der Dänen, dass wir zu zweit nebeneinander zu viel Manöverraum für den Bagger wegnehmen. Er bestätigt das und ist dankbar für den Hinweis, das hatte er gar nicht bedacht. Während er am Telefon überlegt, was wir jetzt machen und schon leicht verzweifelt klingt, ich ihm erzähle, dass wir unser Schwert aufholen können und mit nur 70 cm Tiefgang in jede Ecke passen, schlagen die Dänen vor uns ganz nach hinten 90 Grad in die Ecke zu drehen und sie verlegen auch nach hinten, dann passt der Bagger vor uns und hat allen Raum zum manövrieren. Super Vorschlag, der Hafenmeister ist erleichtert und erfreut, dass die Dänen noch mal verlegen. Ich entschuldige mich für die späte Störung, die nicht ganz einfach war und bedanke mich für seine Unterstützung und Hilfe. Er sagt, dafür bin ich doch da und bedankt sich seinerseits für die gute Kooperation. Toll, bei einer Büroöffnungszeit bis 17 Uhr, Mensch, der war richtig nett.

Das Ankerbier schmeckt, ich bin sicher, wir werden gut schlafen.


Darthmouth – Newhaven: 164 nm
Gesamt: 11.282 nm

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