31. 07. / 01.08.2022 – Tag 13: Ein Stab im Meer

Wir arbeiten uns durch die Knäuel von Fischerbooten, die sich völlig unlogisch und in sich ständig ändernden Geschwindigkeiten bewegen. Das AIS (Automatic Identification System) ist solchen Situationen ein Segen.

Der Tag verfließt und lässt es zu, dass wir Zeit im Cockpit an der frischen Luft verbringen. Wir werfen die Angel aus, muss doch Fisch hier geben, sonst würden sich ja nicht so viele von den Kuttern hier rumtreiben. Manche passieren wir in 1,5 nm Abstand, so dass man die Rostschlieren sehen kann. Sie sind zwischen 22 und 38 Meter, haben rote oder blaue Rümpfe und einen flachen, meist weißen Aufbau. Von dem Starkwind der letzten Tage ist noch eine ordentliche Dünung übrig und sie wanken ganz schön auf ihren Zick Zack Kursen. Das ist ein richtig harter Job, den die hier machen. Die meisten kommen aus Spanien und sind bestimmt Wochen am Stück unterwegs. Immer nass, Tag und Nacht. Mensch geht es uns gut auf unserer Emma.

Den letzten Sundowner trinken wir draußen. Wir haben Sicht bis zum Horizont und in der Wolkendecke tun sich ein paar Risse auf. Endlich mal wieder Farben, Gelb im Übergang zu Rot. Darauf, und auf einen guten, sicheren Landfall stoßen wir an. Prost! Richtig real, dass wir morgen ankommen ist es noch nicht. Wir sind gespannt, ob und wie wir das mit den nicht zu unterschätzenden Gezeiten hinbekommen.

In meiner Wache gibt es nicht viel zu tun, die Fischerboote befinden sich alle im sicheren Abstand. Alle 20 Minuten stecke ich den Kopf raus und schaue ob ich irgendein anderes Schiff sehe, aber außer die Scheinwerfer der Fischer in weiter Ferne ist nichts zu erkennen. Halb Vier löst mich Fritz ab und ich schlüpfe unter die warme Decke.

Isles of Scilly St. Mary´s

Ich werde halb Neun wach und Fritz eröffnet mir, dass wir Land in Sicht haben. Ein langer, grauer Stab ragt in den Himmel. Das muss der Bishop Rock Leuchtturm sein. Hinter ihm sehen wir dunkle Schatten, die sich kaum von den Wolken unterscheiden, Wahnsinn, die Isles of Scilly´s.

Wir rechnen noch ein paar Mal die Gezeitenströme im Vergleich mit unserer voraussichtlichen Ankunft und entscheiden uns zunächst die Insel St. Marys von Süd-Ost anzufahren.

Isles of Scilly St. Mary´s Bojenfeld

Jetzt sind wir doch früher dran als erwartet und sehen auf den Strömungskarten, dass wir auf dem Weg bis zur SO-Einfahrt ebenfalls mit Gegenströmung rechnen müssen. Dann können wir auch gleich gegen die Strömung von 0,5-1,5 kn mitten durch. Dieser Weg ist zudem kürzer, wir haben genug Treibstoff im Tank und unser Motor schafft das gut gegen 1 kn anzukommen. Zudem haben wir ohne Wind und mit nur 1 m Welle optimale Voraussetzungen und richtig Glück. Wir fahren schnurstracks auf der, in den Karten vorgegebenen, Kurslinie. Passieren das Gebiet, wo 3 Stunden nach Hochwasser Races eingezeichnet sind. Das heißt, hier kann sich durch Strömung, starken Wind, Wellen und Untergrund eine hohe See aufbauen. Das sollte heute kein Problem sein. Dennoch, die Wasseroberfläche wird etwas kabbelig, es scheint zu brodeln und schüttelt uns ein bisschen. Mit viel Wind und Welle will man hier auf keinen Fall sein. Wir lassen den hoch aufragendenLeuchtturm an Steuerbord liegen, erkennen alle Seezeichen, die in den Karten verzeichnet sind und arbeiten uns immer weiter in die Inselwelt vor. Es klappt hervorragend. Wir funken den Hafenmeister auf Kanal 14 an. „Sucht euch einfach eine freie gelbe Besucherboje aus.“ Die Schiffe liegen dicht beieinander, aber Fritz manövriert uns gut an einen dicken gelben Zylinder, mitten drin, heran. Wir fädeln unsere Festmacher durch den dicken, rostigen Eisenschäkel und sind Punkt 12:00 Uhr fest. Da sind wir nun, stehen in unseren Jogginghosen auf dem Vordeck und schauen uns erst mal um. Eine kleine Bucht, mit einem Sandstrand, der schlammig in das zurückgezogene Wasser übergeht. Ein mächtiger Pier, an dem langgezogene, bunte Ausflugsboote, oder vielleicht sind es auch die Inselfähren, festmachen und ablegen. Alte Fischerkähne mit braunen Stützsegeln schwirren dazwischen umher. Am Ufer graue Natursteinhäuser mit den typisch englischen Kaminen und über uns kreischen die Möwen. Es ist noch einmal ein ganz anderer Ort und fühlt sich gut an hier anzukommen. Wir werfen die Jogginghosen und Fleecejacken in die Ecke, ziehen uns schön an und holen den Sekt aus dem Kühlschrank.

Nach 1.345 Seemeilen in 13 Tagen haben wir den Atlantik hinter uns gelassen. Wir freuen uns und sind stolz, besonders auf unsere Emma. Großartig, wie sie uns sicher über den Atlantik geschaukelt hat. Der erste große Schluck Sekt geht übers Deck, der Zweite für Neptun ins Wasser und sogar die Sonne lässt sich kurz sehen.

das ersehnte Stout

Um unsere Einreisepapiere zu bestätigen, müssen wir eine Telefonnummer der Zollbehörde anrufen. Ich brauche etwas, um mich auf den tief englischen Akzent der Sprache einzustellen, aber der Mann am anderen Ende gehört zu den geduldigen Menschen dieser Welt und wir verstehen uns gut. Ich buchstabiere unsere Namen, Geburtsdaten, Reisepassnummern, Wohnadresse und E-Mail. Er kann unser eingesendetes Formular nicht finden. Zum Glück haben wir Internet und ich schicke die Mail noch einmal. Er meint, jetzt ist alles klar, ich muss es an die Adresse, die auf Seite 2 des PDF Formulars steht, schicken. Ich kapiere es nicht, denn da steht eine Postadresse. Ich frage noch mal nach, habe ihn doch richtig verstanden, das PDF muss man ausdrucken und per Post schicken. Okay, per Post geht nicht. Ach so, dann muss ich die Excel-Tabelle ausfüllen, die auch auf der Internetseite zu finden ist. Nur damit können wir die Formalitäten online erledigen. Die gelbe Quarantäne Flagge müssen wir unbedingt noch oben lassen, denn unsere Einreise ist noch nicht genehmigt. Dafür müssen wir auch noch die Immigration anrufen, die Nummer bekommen ich gleich von ihm. Ich fülle alle Daten in die Excel Tabelle und schicke es per Mail raus. Er scheint am Rechner zu sitzen, denn ich bekomme gleich die Antwort, dass unsere Abfahrtszeit von den Azoren und die Bestätigung der Richtigkeit meiner Angaben auf dem 3. Tabellenblatt der Datei noch fehlt. Fritz macht sich erst mal ein Bier auf, das scheint hier ja noch zu dauern. Das eine ist erledigt, jetzt rufe ich bei der Einreisebehörde an. Habe wieder einen gut gelaunten Beamten an der Strippe, dem ich noch einmal unsere Namen, Geburtsdaten, Reisepassnummern, Heimatadresse und E-Mail buchstabiere. Auch an diese Behörde haben wir das Formular vorab geschickt, aber er nimmt noch mal alles auf und fragt, ob wir Waffen, Drogen, Tiere, Alkohol, Tabac, Pflanzen etc. an Bord haben. Ich verneine alles und bekomme jedes Mal seine Rückmeldung: „Thats perfect.“ „Excellent.“. Wenn er nicht zurückruft ist alles in Ordnung und wir können unsere Einreise als offiziell ansehen. Naja, noch etwas rudimentär alles so kurz nach dem Brexit, aber witzig. Dagegen waren einige ehemalige Kolonien wesentlich professioneller.

Fish & Chips im Atlantik Pub

Zeit das Dingi ins Wasser zu lassen und endlich Land zu betreten. Das gestaltet sich unerwartet schwierig, denn der Außenborder, den wir an einer Holzplatte am Heck befestigt haben ist fest gerostet. Die Gewindebolzen lassen sich kein Stück bewegen. Ich krame den Rostlöser raus, die Dose Balistol ist auch am Start. Vielleicht hilft doch ein bisschen Gewalt. Die Bolzen der kleinen Hebelarme, mit denen man das Gewinde dreht brechen ab. Fritz schafft es mit der Pumpenzange Bewegung rein zu bekommen, ich suche Ersatz für die kleinen Bolzen und wir reparieren die Bedienhebel. Der Außenborder sitzt am Dingi und Fritz ist gar nicht optimistisch, dass er anspringt, wenn doch schon seine Befestigung festgerostet ist. Er zieht ein paar Mal, keine Reaktion. Noch ein paar Mal, es orgelt schon ein bisschen. Noch ein paar Mal und er springt an. Fünf Uhr betreten wir Land. Wir eiern ganz schön über das grobe Kopfsteinpflaster, unsere Knie fühlen sich weich an. Ein Segler, den wir am Kai beim Anlegen helfen empfiehlt uns das Atlantik. Mit eingezogenem Kopf betreten wir den niedrigen Raum aus dunklem Holz. Ein türkischer Teppich auf dem Boden, braune Ledersofas und Sessel, gerahmte Bilder mit traditionellen Segelschiffen an den Wänden. Wir gehen an der langen Bar entlang und suchen uns anhand der Labels auf den Zapfhähnen ein Bier aus. Drinnen sind alle Tische besetzt, an manchen wird Karten gespielt, andere essen, tippen auf ihren Handys rum, reden oder lesen. Auf der Terrasse ist noch ein Tisch frei. Wir sind die einzigen, die sich Jacken anziehen, die Engländer können Kälte einfach besser ab. Über die Bucht zieht eine Nieselwolke direkt zu uns. Keiner hebt den Kopf und schaut in den Himmel, es wird einfach so hingenommen. Das Paar am Nebentisch bekommt gerade ihr Essen serviert, es scheint sie überhaupt nicht zu stören. Dann tun wir es ihnen gleich, Willkommen in Großbritannien, wir feiern unseren Landfall mit Stout und Fish & Chips.


letztes Abendessen auf See: Spagetti Käse-Sahne, Tomatensalat
Frühstück: Cornflakes und Rest vom Abend


Etmal Tag 13 : 98 nm
Gesamt Log : 1.345 nm
Reise gesamt: 10.976 nm

5 Antworten auf „31. 07. / 01.08.2022 – Tag 13: Ein Stab im Meer“

  1. Herzlichen Glückwunsch zu Eurer wunderschönen, interesanten, abenteurlich Reise (zum beneiden), weiterhin viel Glück und Feude bis zum Ziel und darüber hinausi….
    Wünscht Euch Karin

  2. Dear Janine und Fritz,
    Great to read you have landed safe and well after that this nice crossing.
    Saying farewell to the ocean and going back to muddy waters! I remember we kept having cold feet during our return from the Azores.
    Enjoy your stay and Janine, you are a great writer.

  3. Hallo ihr beiden ich wusste das mit dem Blog bis gestern garnicht und habe jetzt den ganzen Vormittag mit lesen verbracht. Vermutlich gut das ich es nicht wusste ich wäre vor Angst gestorben während eurer Passagen über den Atlantik. Ich bewundere euch zutiefst. Ich freue mich schon wenn ihr wieder da seid. Paule meinte schon dass wir uns alle im Schwarzwald treffen und uns endlich mal Wiedersehen

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